Monika Weber beschreibt in ihren Büchern den „ganz normalen Wahnsinn“, den einige Frauen im mittleren Lebensalter sicher kennen.
Liebe, Scheidung, Veränderung, Existenzsorgen, Freundschaft und Neufindung, um nur einige Aspekte zu nennen. Die Hauptfiguren sind Frauen, wie „Du“ und „Ich“. Sie besitzen liebenswerte Schwächen, die sie menschlich und sympathisch wirken lassen.
Carla ab €000Hannah ab €000Katja ab €000Elena ab €000* Bild: © Depositphotos.com / belchonock
“Lesen heißt mit einem fremden Kopfe, statt des eigenen, denken.”
Arthur Schopenhauer
Ein paar Nachzügler trudelten verspätet im Seminarraum ein, darunter ein Typ, den sah Carla zum ersten Mal. »Donnerwetter, ein echtes Sahneschnittchen«, ging es ihr durch den Kopf. »Bestimmt verheiratet, gut aussehende Männer sind meist vergeben.« Als Robert dann noch freundlich lächelnd, ihr gegenüber Platz nimmt, hätte der Tag für Carla nicht besser laufen können.
Nachdem Carla die Firma aus betrieblichen Gründen verlassen muss, bleibt ihr der Gang zum Arbeitsamt nicht erspart. Um der Arbeitslosigkeit aber schnellstmöglich zu entgehen, beschließt Carla neue Wege zu gehen. Dabei lernt sie Robert kennen und verliebt sich auf Anhieb in ihn. Doch ihre anfängliche Vermutung, dass Robert bereits verheiratet ist und Familie hat, scheint sich leider zu bestätigen…
Diese Geschichte handelt von einer Frau, die darum kämpft, ihren beruflichen und privaten Lebenstraum zu verwirklichen. Es war das Jahr 2006. Deutschland war gastgebendes Land der Fußballweltmeisterschaft. Die Menschen fieberten dem Ereignis entgegen. Die deutsche Wirtschaft erholte sich langsam, was sich wiederum deutlich auf dem Arbeitsmarkt widerspiegelte.
Die Zahl der Arbeitslosen ging zurück. Die Menschen blickten wieder optimistisch in die Zukunft. Von dem wirtschaftlichen Aufschwung war ein kleiner Handwerksbetrieb im Osten Deutschlands jedoch meilenweit entfernt. Die Auftragslage war und blieb schlecht. Durch Sparmaßnahmen wollte man aus der Misere herauskommen.
Es wurde wie nicht anders zu erwarten zuerst bei den Personalkosten gekürzt. Es wurden Mitarbeiter betriebsbedingt gekündigt. Carla arbeitete in diesem Unternehmen seit zwölf Jahren, als Sachbearbeiterin. Auch sie erhielt die Kündigung. Sie war nicht sehr überrascht.
Es hatte sich herumgesprochen, dass die Lebensgefährtin des Juniorchefs ihre Aufgaben übernehmen wollte. Um aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen, beschließt Carla sich selbstständig zu machen. Bald muss sie erfahren, dass dies nicht so einfach ist.
Nach anfänglichen Startschwierigkeiten stellt sich der Erfolg nur langsam ein. Sie nimmt an einem Existenzgründerseminar teil und verliebt sich in den fünf Jahre jüngeren, alleinerziehenden Vater Robert.
Seine Noch-Ehefrau Christel, die er sehr geliebt hatte, verließ ihn von heute auf morgen. Für Carla und Robert könnte es der Beginn einer großen Liebe sein, doch Christel kehrt reuevoll zurück. Muss Carla ihre Träume aufgeben und wird sie zu ihrer Tochter Katrin nach München ziehen?
Seit einer Woche war Carla nun schon zu Hause. Sie konnte sich einfach nicht daran gewöhnen den ganzen Tag so vor sich hinzuleben. Sie stellte sich jeden Morgen wie gewohnt den Wecker um sechs Uhr, um ja nicht dem berüchtigten Arbeitslosentrott zu verfallen. Einige liegen gebliebene Arbeiten im Haushalt, die sie immer vor sich hergeschoben hatte mangels Zeit, hatte sie noch zu erledigen. Heute war Fenster putzen angesagt. Jedoch es war öde. Die Ruhe in der Wohnung erdrückte sie fast. Sogar das Telefon schwieg. Keiner meldete sich bei ihr. Sie ging in die Küche und stellte das Radio an. Es kamen gerade die Nachrichten. Die Arbeitslosenzahlen sind um 0,1 % in diesem Monat gesunken, verkündete der Nachrichtensprecher optimistisch.
Na ja, dachte Carla, ich habe eine gute Ausbildung und dazu noch Berufserfahrung, es kann doch gar nicht so schwer sein, einen neuen Job zu bekommen. Sie hatte schon etliche Bewerbungen geschrieben aber noch keine Antwort zurückerhalten. Zu Mittag aß sie nur einen Fruchtjoghurt. Sie hatte nicht viel Appetit. Ihre jetzige Situation machte ihr arg zu schaffen. Vierzehn Uhr hatte Carla einen Termin beim Arbeitsamt. Sie hatte es nicht weit. Das Arbeitsamt war gleich gegenüber vom Wohnblock, in dem sie wohnte. Vom Balkon aus konnte sie geradewegs in die Kantine der Agentur blicken. Früher hatte sie solch einen schönen weiten Ausblick in die Natur, bis dieser schreckliche Bau ihr die ganze Sicht nahm. Noch vor einer Woche war es ihr nicht so aufgefallen, da sie den ganzen Tag im Büro war. Doch jetzt wurde es direkt zur Belastung.
Sobald Carla auf den Balkon ging, fühlte sie sich beobachtet von den Leuten, die gerade in der Kantine bei einem Kaffee saßen. Das ärgerte sie mächtig und machte ihr die derzeitige miese Situation erst richtig bewusst.
Pünktlich saß sie dann im Warteraum des Arbeitsamtes. Nachdem sie längere Zeit gewartet hatte, wurde sie endlich aufgerufen. Der Vermittler saß teilnahmslos hinter seinem Schreibtisch, als das Telefon klingelte. Er nahm ab. Während des Gespräches forderte er Carla ungeduldig auf, eine bestimmte Straße zu suchen, auf dem Stadtplan der an der Wand angebracht war, damit er sie dem Anrufer mitteilen konnte. Jetzt muss ich auch noch dem seine Arbeit machen. Das Beste wäre, ich bleibe gleich hier. Das wäre eine Arbeit nach meinem Geschmack und das Gehalt stimmte auch, ging es ihr durch den Kopf.
Schließlich wandte er sich ihr zu. »Im Moment können wir Ihnen nichts anbieten. Sie müssen schon Eigeninitiative zeigen. Teilen Sie uns in bestimmten Abständen Ihre Eigenbemühungen mit. Einen neuen Termin senden wir Ihnen zu.« Carla wagte noch den Einwand: »Und, wie sieht es mit einer Weiterbildung aus? Während meiner Arbeitszeit war nicht daran zu denken.«
»Dafür sind Sie noch nicht lange genug arbeitssuchend«, war die kurze und knappe Antwort. Carla erhob sich missmutig vom Stuhl und nahm ihre Tasche. »Ach übrigens, wenn Sie das nächste Mal wiederkommen, wird Herr Schulze sich um Ihre Belange kümmern. Ich gehe in meinen wohlverdienten Ruhestand. Auf Wiedersehen!«
Der hat es gut, dachte Carla beim Hinausgehen. Schon stand Carla wieder auf dem langen, hellen Flur. Sie hoffte nun Tag für Tag und Woche für Woche, dass sich doch noch etwas tat. Sie schrieb eine Unmenge an Bewerbungen und erhielt nur Absagen, manche kamen gar nicht erst zurück.
So verlief ein Tag wie jeder andere. Abends konnte sie nicht einschlafen und grübelte bis weit in die Nacht hinein, wie es nun weitergehen sollte. Eines Tages erhielt sie ein Schreiben zu einem Vorstellungsgespräch bei einer Speditionsfirma. Carla war ganz aufgeregt. Tausend Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Am Tag des Termins stand sie früh auf.
“Lesen heißt durch fremde Hand träumen.”
Fernando Pessoa
Da war es wieder dieses geringe Selbstwertgefühl, welches Hannah schon ihr ganzes bisheriges Leben lang mit sich herumschleppte. Frühere negative Erlebnisse hatten sich tief in ihr Gedächtnis eingeprägt und bestimmten ihre Verhaltensweise. In der Kindheit wurde sie aufgrund ihres korpulenten Äußeren gehänselt. Der Vater war ein Patriarch und die Mutter ordnete sich ihm unter. Auch während der Ehe mit Bernd geriet Hannah zunehmend in die Opferrolle. An der Arbeitsstelle erging es ihr nicht anders. Anne, die für ein paar Monate ein Praktikum dort absolviert, möchte Hannah helfen….
Es war an einem schönen Herbsttag im September. Die Sonnenstrahlen kämpften sich durch den leicht bewölkten Himmel. Ab und zu kam ein kräftiger Lufthauch und wedelte durch die Baumkronen. Eine selbstbewusste Frau saß auf der Terrasse eines Ausflugslokals und schlürfte genüsslich an einem Cappuccino. Das war nicht immer so.
Ihr Blick wanderte über den kleinen See, der vor ihr lag. Am Seeufer fütterten die Besucher die Stadtenten, die in Scharen auf sie zu schwammen. Ein paar Enten sonnten sich am Rand des Gewässers in der warmen Sonne. Die Erpel im leuchtend, farbigen Federkleid mit metallisch grün schillernder Kopfbedeckung waren schön anzusehen, die Weibchen dagegen schlicht und unscheinbar.
So unscheinbar wie die Weibchen, fühlte sich Hannah noch vor nicht allzu langer Zeit. Aber diese Zeit war glücklicherweise vorüber. Zwei Ruderboote fuhren über den See und wurden durch die leichten Wellen nach vorn getrieben. Die Terrasse war gut besucht. Viele Familien nutzten den Samstag zu einem Ausflug, sodass alle Plätze besetzt waren.
Es wurde viel erzählt und gelacht. Kinder rannten herum und hielten ihre Eltern auf Trab. Hannah saß allein an einem Tisch. Keiner beachtete sie. Ein beklemmendes Gefühl der Einsamkeit überkam sie für einen Moment, doch er hielt nicht lange an.
Sie setzte sich gerade hin, Schultern nach hinten, Brust heraus, Kopf in den Nacken, und ihr ging es gleich besser. Sie beobachtete die Menschen und hing dabei den Gedanken nach.
Morgen hatte sie ihren 50. Geburtstag. Was war in den letzten zwei Jahren nicht alles passiert. Wenn sie so zurückdachte, konnte sie es kaum glauben.
Rückblick – Wie jeden Morgen klingelte der Wecker penetrant um sechs Uhr. Hannah regte sich nicht und ließ ihn nochmals klingeln. Dann erst reagierte sie, streckte sich und rieb verschlafen die Augen. Sie hätte noch ein paar Stunden schlafen können, aber das ging ja nicht. Neben ihr die Betthälfte war leer. Ihr Ehemann Bernd war sicher schon auf der Baustelle. Er arbeitete dort als Maurer. Hannah wusste weder in welcher Gegend er eingesetzt war noch ob er heute überhaupt heimkam. Manchmal musste er auswärts übernachten. Hannah rappelte sich hoch und schlurfte ins Bad. Sie wusch sich kurz, putzte die Zähne, ging mit dem Kamm durch ihre schon teils ergrauten, strähnigen Haare. Im Schlafzimmer zog sie sich die schwarze Stoffhose an, die sie fast immer trug und eine aus der Mode gekommene Blümchenbluse darüber.
Die oberen Knöpfe konnte sie nur mit Mühe schließen, denn sie hatte in letzter Zeit wieder einige Kilos zugelegt. Nach einem ausgiebigen Frühstück mit Toast, Wurst und Ei machte sie sich auf den Weg zu ihrer Arbeitsstelle. Sie hatte es nicht weit, einen Katzensprung vom Haus entfernt. Hannah arbeitete als Sachbearbeiterin im Kellergeschoss der Stadtverwaltung, im Archiv. Sie war wie es im Fachdeutsch heißt, für die Verwaltung und Pflege archivwürdiger Informationsträger zuständig. Dazu gehört die Datenpflege, die Bearbeitung interner und externer Archivfragen sowie die Erledigung allgemeiner Büro- und Verwaltungsarbeiten. Als sie zur Eingangstür hereinkam, standen zwei Mitarbeiterinnen herum, die sich im Flur unterhielten. Die Frauen verstummten jäh, sahen zu Hannah hin, lächelten ironisch und schauten sich vielsagend an.
Hannah grüßte leise und ging unsicher vorbei, doch sie konnte förmlich die Blicke im Rücken spüren. Sie wusste, dass sie nicht sehr beliebt war und belächelt wurde. Die Damen von der Stadtverwaltung machten sich mit ihrem Outfit gegenseitig Konkurrenz, da passte Hannah nicht dazu. Sie konnte und wollte auch nicht mithalten. Neue Kleidungsstücke konnte sie sich nicht kaufen. Bernd wachte akribisch über die Finanzen. Wenn sie sich doch etwas leisten wollte, wiegelte er ärgerlich ab. »Der ganze Kleiderschrank ist voll, trage die erst einmal auf.« Um ihn nicht zu verärgern, gab sie dann stets klein bei. So hatte sie nur Kleidungsstücke, die völlig unmodern waren und ihr ein komisches Aussehen verliehen. Ließ er sich doch einmal dazu überreden, suchte er die Kleidung selbst aus. Es durfte natürlich nicht viel kosten. Danach prahlte er, wie großzügig er war.
Gönnerisch sah er sie dabei von oben herab an. »Du wirst aber dadurch auch nicht schöner.« Hannah war diese Beleidigungen gewöhnt und schluckte nur. Wiederholt musste sie sich dann bei ihm bedanken, aber sie kannte es nicht anders. Schon ihr Vater war ein Patriarch, und sie wurde sehr streng erzogen.
Sie ging die Treppe hinunter in das Kellergeschoss, wo das Archiv untergebracht war. Dort arbeitete sie allein und war stets gegenüber den Kolleginnen eine Außenseiterin geblieben, die wortlos die Arbeit verrichtete. Sie freute sich jedes Mal, wenn der Arbeitstag vorüber war und sie allein in ihren vier Wänden saß.
Hannah hatte den Arbeitstag hinter sich gebracht. Sie hatte nicht viel zu tun gehabt, die üblichen Routinearbeiten. Da sie allein das Archiv betrieb, hatte sie auch wenig Kontakt zu den anderen Mitarbeitern. Ab und zu verirrte sich jemand aus den oberen Etagen zu ihr, um bestimmtes Archivmaterial zu erhalten. So verging die Zeit nur schleppend. Der Zeiger der Uhr rückte einfach nicht vorwärts. Als es endlich nachmittags halb vier Uhr war, hängte sie sich dann die Tasche um und ging. Sie hatte noch einige Einkäufe zu erledigen. Bernd hatte sich immer noch nicht gemeldet. Falls er heute nach Hause kam, mussten Wurst und Brot da sein, sonst gab es wieder Ärger. Als das erledigt war, schlenderte sie langsam nach Hause.
“Lesen stärkt die Seele.”
Voltaire
Teil 1
Katjas Gedanken kreisen ständig um diesen einen Abend, als Roland sie plötzlich in den Arm nahm und küsste. Seit dem dreizehnten Lebensjahr war er stets in ihrem Hinterkopf da gewesen und spätestens mit sechzehn sehnte sie diesen Moment herbei. Sie will Roland unbedingt…
Teil 2
Zwanzig Jahre sind inzwischen vergangen und die Zeiten haben sich geändert. Was ist aus Katja und Roland geworden?
Die Geschichte einer Jugendliebe, die in den späten Sechzigern begann.
Es war der erste schöne Frühlingstag in den späten sechziger Jahren, die Sonne strahlte vom blauen Himmel. Die Temperaturen überschritten die zwanzig Grad Marke, was durchaus ungewöhnlich für diese Jahreszeit war. Der letzte Schnee, der sich schmutzig am Straßenrand auftürmte, begann zu tauen, noch vor ein paar Tagen sah es anders aus. Ein rauer Ostwind trieb die Temperaturen in den Keller. Ungemütlich, nasskalt war es und die Winterjacke ein Muss. Jetzt lag ein Hauch von Frühling in der Luft, die Natur erwachte zu neuem Leben. Die heimischen Singvögel gaben sich am frühen Morgen schon ein Stelldichein und zwitscherten um die Wette. Aus dem Boden sah man die ersten zarten Triebe der Frühblüher sprießen. Die Menschen begegneten sich wieder mit einem Lächeln. Nach der dunklen, eher schwermütigen Jahreszeit,
bescherten die ersten wärmenden Sonnenstrahlen Glücksgefühle und die Lust, sich im Freien aufzuhalten.
Katja bewohnte mit ihren Eltern Betti und Rainer, sowie den beiden Geschwistern Marion und Bärbel, eine Drei- Raum Wohnung im Parterre eines vierstöckigen Mietshauses. Die Außenfassade des Gebäudes war aus roten Backsteinen gemauert, die Zimmer innen durchgängig, mit hohen Decken und großen Fenstern, in jedem Raum befand sich ein Kachelofen. Ein kleines Bad mit Badeofen, Toilette, Waschbecken und Badewanne gehörte ebenso zur Wohnung, In der ersten Etage befand sich ein Kirchensaal, jeden Sonntagmorgen, pünktlich um zehn, fand ein Gottesdienst statt. Schon eine Stunde vorher wurde vor der Tür gelacht und sich begrüßt. Spätestens, wenn die Orgel anfing zu spielen, trieb es selbst Morgenmuffel aus dem Bett und mit der Ruhe im
Haus war es endgültig vorbei.
Am späten Vormittag stand Katja in der Küche und schälte Kartoffeln für das Mittagessen. Die Sonne lugte durch das halb geöffnete Fenster. Sehnsüchtig schaute Katja nach draußen, wo einige Menschen, teils schon sehr luftig bekleidet, vorbeiliefen. Am Fenster gegenüber tratschte mal wieder Frau Koch mit ihrer quarkigen Stimme. Katja konnte jedes Wort verstehen. »Die hat vielleicht Sorgen.« Katja schüttelte den Kopf. Wie schon so oft merkte sie, wie ihr vom langen Stehen langsam schwindlig wurde. Als sie deshalb einmal den Doktor aufsuchte, beruhigte er sie. »Du bist zu schnell gewachsen, das gibt sich.« Katja setzte sich auf den Stuhl, legte die Hände in den Schoß und wartete bis es ihr wieder besser ging. Betti kam zur Tür herein. »Ist dir wieder schwindlig?«, fragte sie mitfühlend. Katja nickte. Mit mahnendem Blick schaute Betti auf die
Kartoffeln. »Katja, nicht so dicke Schalen. Direkt unter der Schale stecken die meisten Vitamine.« Mit mürrischem Gesichtsausdruck murmelte Katja. »Ja, ja.« In Gedanken fügte sie noch hinzu: »Warum machst du es nicht gleich selbst, wenn du sowieso nur herummeckerst.« Als wenn die Mutter es verstanden hätte, nahm sie Katja das Messer aus der Hand und holte einen Kartoffelschäler aus der Schublade. »Ich habe dir schon so oft gesagt, du sollst den Kartoffelschäler nehmen. Gehe bitte ins Wohnzimmer und deck schon mal den Tisch.« Das ließ Katja sich nicht zweimal sagen. Schnell verließ sie die Küche. Betti seufzte: »Alles muss man alleine machen.«
Im Wohnzimmer stand Marion am weit geöffneten Fenster und alberte mit einer Freundin rum, die draußen davor stand. Marion kriegte sich vor Lachen nicht mehr ein. »Mach endlich das Fenster zu und hilf mir«, maulte Katja verärgert. Doch, die ließ sich nicht weiter
stören. »Ph!«, machte sie nur. Marion wurde in drei Monaten 19 Jahre alt und war die Älteste der drei Mädels. Seit einem halben Jahr hatte sie einen festen Freund, den Uli. Zurzeit musste er seinen Grundwehrdienst bei der NVA ableisten und kam nur selten auf Heimaturlaub. Marion arbeitete als Verkäuferin in einem Schuhgeschäft. Die Jüngste der Schwestern hieß Bärbel, wurde von jeher aber nur Babs genannt. Mit ihren zwölf Jahren war sie das Nesthäkchen der Familie. Der Vater hatte sich zwar immer einen Stammhalter gewünscht, doch da er nun mal mit einer Tochter vorliebnehmen musste, wurde sie eben zum Leidwesen der Mutter wie ein Junge erzogen. Sonntags nahm Rainer sie mit auf den Fußballplatz, wo er sich regelmäßig mit seinen Arbeitskollegen traf. An Weihnachten und Geburtstagen bekam sie Spielzeug für Jungen geschenkt. Babs benahm sich auch wie ein Junge, spielte nur mit Jungs, hatte einen kurz geschorenen Haarschopf und wollte nur Hosen
tragen. Wie es oft unter Geschwistern ist, wurde auch gestritten, jedoch Vater Rainer hatte seinen Mädels-Clan voll im Griff, streng aber gerecht herrschte Zucht und Ordnung. Die Arbeiten im Haushalt wurden gleichberechtigt untereinander aufgeteilt, die Regie dafür übernahm Mutter Betti. Betti war Hausfrau. Gern hätte sie einen Halbtagsjob gehabt, doch Rainer wollte nichts davon hören. »Entweder Kindererziehung oder Job, aber keine halben Sachen«, war er der Meinung. So blieb sie zu Hause. Wenn die Kinder aus der Schule kamen, roch es schon im Hausflur appetitlich nach Mittagessen. Wochentags begnügte man sich größtenteils mit einfachen Speisen, Betti war da sehr kreativ. Am Wochenende wurde dann aufgetafelt, den Mädels gefiel es und Rainer sowieso. Zwar kam die Familie finanziell gerade so über die Runden, große Anschaffungen waren nicht drin, da es eh nicht viel an Verlockungen gab, reichte es auch so zum Leben. Zum
Leidwesen der Mädels wurden die Kleidungsstücke von der Ältesten bis zur Jüngsten aufgetragen. Ein Lichtblick war Oma Lene. Nach dem frühen Tod von Opa Walter, zog sie in die Nähe von Koblenz zu ihrer Schwester Hildrud und schickte seither zu jedem besonderen Anlass Pakete, mit Kaffee, Süßigkeiten und Kleidung. Letztere waren nicht immer neu, denn sie bekam viel von Bekannten geschenkt. Doch die Sachen waren größtenteils tragbar und auch modern. Oft wurden die Mädels deshalb von ihren Freundinnen beneidet.
Als der Tisch eingedeckt war mit Geschirr, Gläser und Besteck, servierte Betti das Mittagessen. Rainer saß zuerst auf seinem Platz und wartete mit einem Mordshunger ungeduldig auf die zubereiteten Speisen. Ein appetitlicher Geruch von Gebratenem erfüllte den Raum. »Katja, Marion, Babs jetzt aber dalli!« Sogleich kamen die Mädels an den Tisch geeilt. Zum
Sauerbraten gab es je nach Wunsch Kartoffeln oder Klöße, dazu Rotkohl. Alle schaufelten gleich in sich hinein, nur Katja stocherte lustlos auf dem vollen Teller herum. »Iss, du siehst aus wie ein Hungerhaken«, ermahnte Rainer seine Tochter mit strengem Blick. Katja klagte und schlug die Augen nieder. »Ich kann aber nicht mehr.« Sie wollte nicht so aussehen wie der Rest der Familie, die alle einige Pfunde zu viel auf den Rippen hatten. Als die anderen fertig waren, saß Katja immer noch vor dem halb vollen Teller. Bittend schaute sie den Vater an, doch unbeeindruckt sagte der nur: »Du bleibst solange sitzen, bis du gegessen hast. Andere Kinder würden sich über so ein Mahl alle fünf Finger lecken.« Energisch stand er vom Stuhl auf und begab sich wie jeden Sonntag zum Mittagsschlaf ins Schlafzimmer. Die Mutter räumte den Tisch derweil ab und ging in die …
“Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste.”
Heinrich Heine
Unter einem Dach mit Schwiegermutter Helga werden die Eheleute dort wohnen und den Hof gemeinsam bewirtschaften. Nach anfänglichem Hochgefühl folgt für Elena sehr rasch die Ernüchterung. So hat sie sich ihr Leben wirklich nicht vorgestellt …
Eine Geschichte über Liebe, Verleumdung und schmerzlichen Begebenheiten.
Es war an einem wunderschönen Sommertag im Juli, kein Wölkchen trübte den Himmel und die Sonne knallte erbarmungslos von oben herab. Mit einem Ruck kam der Zug auf freier Fläche zum Stehen, nur ein Ortsschild wies auf die Haltestelle hin. Eine schlanke Frau stieg aus und schaute sich, die Hand schützend vor den Augen haltend, nach allen Seiten um. Keine Menschenseele war zu sehen, nur in der Ferne ertönte Hundegebell. Elena wischte sich den Schweiß von der Stirn, setzte eine dunkle Sonnenbrille auf und schritt stur nach vorn schauend eilig die Dorfstraße hinab in Richtung zum Friedhof. Es war Mittagszeit, aus den Häusern drangen die verschiedensten Kochgerüche und die Straße schien wie leergefegt. Trotzdem fühlte Elena sich beobachtet und konnte förmlich die Blicke hinter den Gardinen im Rücken spüren. Mit mulmigem Gefühl, dennoch stolzer Haltung ließ sie sich ihre Unsicherheit nicht anmerken.
Die Kirchturmglocke schlug mit hellem Ton die zwölfte Stunde an. Elena betrat durch das Tor den Friedhof, ging an einer kleinen schmucken Friedhofskapelle vorbei und sah sich suchend um. Gepflegte Gräber, größtenteils mit einer Steinplatte bedeckt, umsäumt von weißem Kies, prägten das Bild. Eine tiefe Stille umgab sie, nur ab und zu war Vogelgezwitscher zu hören. Langsam ging Elena von einem Grab zum anderen, bis sie schließlich das Gesuchte fand. Sich auf eine Bank setzend, ließ sie den Gedanken freien Lauf. Eigentlich auf Dienstreise zwischen München und Berlin kam Elena beim Zwischenstopp urplötzlich auf die Idee, an diesem Ort auszusteigen, in dem sie lange Zeit gelebt und so Schlimmes durchgemacht hatte. Elena wollte mit der Vergangenheit endgültig abschließen. Die Ereignisse, die sie bewusst die letzten Jahre verdrängt hatte, holten Elena ein und es kam ihr wie gestern vor.
An einem lauen Sommerabend waren viele Menschen, ob alt oder jung, auf den Beinen. An diesem Wochenende wurde das größte Volksfest der Region gefeiert, welches alljährlich stattfand. Von den Karussells aus erschallte die laute Musik über den ganzen Platz. Die Imbissbuden boten vielfältigen Speisen an und die verschiedensten Gerüche lagen in der Luft. Schärfe- von Brathähnchen, Pizza und auch Döner, Süße- von Kräppel und Zuckerwatte. Elena, von allen nur Lena genannt, stand mit Tina in einer Ecke etwas abseits der Menschenmassen, gerade dabei ein Stück Salamipizza zu verdrücken. ›Iss so lecker!‹, meinte Tina, nachdem sie sich wieder einen Bissen in den Mund geschoben hatte. ›Ja, total!‹, stimmte Lena genüsslich mit den Augen rollend zu. Dabei schauten sie sich um und beobachteten die Leute, die an ihnen vorbeischlenderten.
Mischa stand gegenüber an der Schießbude mit ein paar Kumpels und jeder Schuss traf, ein Plüschtier sowie eine Rose war der Gewinn. Mischa drehte sich um und wollte gerade gehen, da sah er Lena. Eine gefühlte Ewigkeit lang trafen sich ihre Blicke, dann ging Mischa mit einem schelmischen Grinsen auf sie zu und überreichte ihr die Rose. ›Für das schönste Mädel hier auf dem Platz.‹ Die Kumpels johlten und machten Witze, aber Lena fand es so süß und hauchte mit einem koketten Lächeln: ›Danke!‹ Spätabends trafen sie sich noch einmal vor dem Riesenrad. Tina schubste Lena an. ›Guck mal, wer da steht?‹ Gleich kam Mischa auf sie zu. ›Fährst Du mit?‹ Lena sah Tina fragend an, dann nickte sie. In der Gondel legte er seinen Arm lässig um ihre Schultern und sie ließ es geschehen. Inzwischen war es dunkel geworden und die ersten Sterne funkelten am Himmel. Oben auf der Spitze stoppte das Riesenrad und sie hatten von der Gondel aus einen wunderschönen Blick über die Stadt, die in einem Meer von Lichtern getaucht war.
Lena und Mischa saßen nur so da, wortlos genossen sie die romantische Stimmung. Wie in Trance ließen beide den Augenblick auf sich wirken und zwischen ihnen entstand ein zartes Gefühl der inneren Zuneigung. Lena wünschte sich: Diese Fahrt sollte nie zu Ende gehen. Da alles jedoch einmal vorübergeht, mussten sie wohl oder übel bald darauf aus der Gondel aussteigen. Mischa nahm ihre Hand, ein Weilchen blieben sie so stehen und schauten sich tief in die Augen. Er fragte nach ihrer Handynummer, die sie ihm mit einem Augenbrauenstift auf den Handrücken schrieb.
Von diesem Abend an sahen sich Mischa und Lena fast täglich und waren bald unzertrennlich. Aus dem anfänglichen wunderschönen Gefühl der Verliebtheit wurde die große Liebe. Nach einer gewissen Zeit konnte er sein Glück nicht mehr für sich behalten. Mit strahlenden Augen weihte er seine Mutter ein: ›Mutter! Ich habe mich in das süßeste Mädchen der Welt verliebt, sieht aus wie Schneewittchen, ist so nett und man muss sie einfach mögen.‹ Schwärmerisch verdrehte Mischa dabei die Augen. Fest glaubte er daran, seine Mutter würde sich mit ihm freuen. Jedoch dem war nicht so: ›Eine aus der Stadt!‹ Verächtlich zog sie die Mundwinkel herab. ›Was soll die auf unserem Hof? Hier im Dorf gibt es genug Mädels, die auch anpacken können.‹ Ihre bissige Bemerkung verletzte Mischa sehr. Ärgerlich schaute er sie an, wusste aber, dass er sich diesmal nicht von ihr hineinreden ließ. Seine Entscheidung stand fest: Er wollte Lena unbedingt. In seinen Augen war sie das hübscheste Mädchen, was er je gesehen hatte.
Klein und von zierlicher Statur, etwas zurückhaltend, das gefiel ihm. Vor allem ihre dunklen Augen, die oft so erstaunt schauten, hatten es ihm angetan. Sie war einfach die Richtige und anders, als die anderen Mädchen, die er von hier kannte. Es war sein Wunsch, sie so schnell wie möglich zu ehelichen. Auch Lena konnte sich ein Leben ohne Mischa nicht mehr vorstellen, und so wollten sie nicht mehr warten und er machte ihr einen Heiratsantrag. Nicht sehr romantisch eher nüchtern, aber Lena war glücklich darüber und schwebte auf Wolke sieben.
Es war im Wonnemonat Mai, der Tag begann grau und wolkenverhangen, ein stürmischer Wind fegte über die Dächer des kleinen Ortes. Als Lena, im weißen Brautkleid und langem zarten Tüllschleier mit ihrem frisch angetrauten Ehemann Mischa die Dorfkirche verließ zeigte Petrus Erbarmen. Der Himmel riss auf und vereinzelte Sonnenstrahlen lugten hervor. Vor dem Brautpaar liefen zwei Blumenmädchen, die aus kleinen Bastkörbchen heraus bunte Blüten streuten. Rechts und links standen die Leute Spalier und klatschten laut. Anschließend wurden Mischa und Lena von allen umringt und die Gäste erhielten die Möglichkeit zur Gratulation. Lena hob den Brautstrauß über den Kopf und im Chor riefen die Anwesenden: ›Drei, Zwei, Eins…‹ Mit Schwung flog der Strauß in hohem Bogen in die Gästeschar.
“Lesen ist Denken mit fremden Gehirn.”
Jorge Luis Borges
Carla
Geht Ihren Weg000
Hannah
Erfindet sich neu | Band 1+2000
Katja
Katja - Es war einmal000
Elena
Elena - Bitte glaube mir000
Lesen ist ein schönes Hobby, das nicht nur bildet, sondern auch für Ruhe und Entspannung sorgt. Jeder hat seinen eigenen Geschmack und das gilt auch für Bücher. Der eine mag spannende Krimis, der andere bevorzugt zu Herzen gehende Liebesgeschichten und wieder andere lesen gerne historische Romane oder Science-Fiction-Literatur, die in der fernen Zukunft spielt.
Aber ganz gleich, für welche Art von Büchern man sich auch erwärmen kann, es gibt die passenden Bücher, und es gibt Bücher Bestseller und damit Bücher, die sich besonders gut verkauft haben. Wer bei Literatur immer auf dem Laufenden bleiben will, der muss sich an die Bücher Bestseller halten, die jede Woche auf einer aktuellen Liste zu sehen sind.
Bücher Bestseller sind Dauerbrenner und Verkaufsschlager, die in den Buchhandlungen besonders oft über die Ladentheke gehen. Ihren Namen verdanken die Bücher Bestseller einer amerikanischen Zeitschrift, die „The Bookman“ hieß. In dieser Zeitschrift wurde die erste Bestsellerliste aufgelegt, und zwar im Jahre 1895. In Deutschland dauerte es ein wenig länger, bis die ersten Bücher Bestseller in einer Liste veröffentlicht wurden. 1946 erschien die erste Liste, die übrigens vom Großen Brockhaus angeführt wurde. Aber die ersten Bücher Bestseller gab es schon viel früher, auch wenn es damals noch keine Listen gab, wohl aber gesicherte Verkaufszahlen.
So wurden zum Beispiel von Martin Luthers Buch „An den christlichen Adel“ im Jahre 1520 gleich 4.000 Exemplare verkauft und das in einer Woche, und auch „Gellerts Fabeln und Erzählungen“ von Christian Fürchtegott Gellert war ein echter Bestseller, dessen erste Auflage 1839 schon nach wenigen Tagen vergriffen war und eine zweite und dritte Auflage erforderlich machte.
Die heutige Zeit ist eine sehr schnelllebige Zeit und entsprechend schnell werden auch Bücher geschrieben und mit ein bisschen Glück sogar zu Bestsellern. Die „Harry Potter“ Bücher gehören zu den Megabestsellern, die weltweit millionenfach verkauft worden sind. Auch die Bücher der „Twilight“ Reihe sind Bücher Bestseller, die überall auf der Welt mehr als gut verkauft und in viele Sprachen übersetzt wurden.
Ein Bücher Bestseller sagt nichts über die literarische Qualität aus, denn auch ein sogenannter Schundroman kann zu einem Bestseller werden, wenn sich viele Menschen entscheiden, diesen Roman in einem bestimmten Zeitraum zu lesen. Anders als früher ist es heute einfacher, einen Bücher Bestseller zu kreieren, denn die großen Verlage versuchen mit einer geschickten und gezielten Werbung ausgesuchte Bücher an die Spitze der Bestsellerlisten zu bringen.
Jedes neue Jahr bietet auch wieder ein neues Thema, das besonders viele Menschen anspricht. Waren es bei Harry Potter die Zauberer, Elfen und Magier, welche die Leser fasziniert und gefesselt haben, so war es einige Jahre später der blutsaugende Vampir, der sich in einer mitreißenden Geschichte in eine sterbliche Frau verliebt. Zu einem echten Bestseller können sich auch Themen entwickeln, die ein wenig extravagant sind, wie das zum Beispiel bei „50 Shades of Grey“ der Fall war.
Der Weg zum Bücher Bestseller ist in den meisten Fällen ein sehr langer Weg, der über mehrere Stationen führt. Zunächst ist ein Buch ein Seller, also ein Buch mit guten Umsätzen. Dann kommt der Good Seller, ein Buch, das sich sehr gut verkauft, gefolgt vom Steady Seller, einem Buch, das sich über einen längeren Zeitraum gut verkauft. Der Fast Seller ist ein Buch, das sich in einem kurzen Zeitraum gut verkauft und erst dann folgt der echte Bücher Bestseller, von dem in sehr kurzer Zeit, manchmal sogar innerhalb eines Tages, sehr viele Exemplare verkauft werden. Getoppt wird der Bestseller nur noch vom sogenannten Steady Bestseller, der was die Verkaufszahlen und die Kürze der Verkaufszeit angeht, nicht mehr zu toppen ist.